13.05.2008

Wie üblich, unglaublich schnell

von Jan Müller

Als vor etwa einem Jahr der 16. Thüringer 24-Stunden-OL in Karolinenfield mit dem Versprechen der damaligen Sieger vom UBOL Bern aus der Schweiz, 2008 den ersten eidgenössischen 24er auf die Beine zu stellen, endete, hatten einige der erschöpften TU-OLer schon wieder dieses seltsame Flackern in den Augen! Und tatsächlich – zu Pfingsten machten sich insgesamt dreieinhalb Teams auf die lange Reise nach Bern, um das Abenteuer 24-Stunden-OL zu leiden und zu genießen.
Wettkampfzentrum war die Heitere – eine große Wiese nebst Bauernhof und Forsthaus mitten im südwestlich von Bern gelegenen Forst, so dass die Strecken in alle 4 Himmelsrichtungen führen konnten. Nicht nur die günstige Lage hatten sich die Schweizer Organisatoren vom Thüringer Original abgeschaut, auch was die Logistik und Organisation des Wettkampfes anging, hatten sie ganze Arbeit geleistet. Für den Ablauf der 24-h-Staffeln wurden einige Neuerungen bereitgehalten: Start war abends 19:00 Uhr, nach 4 Startbahnen ging es dann sofort auf die Nachtbahnen, die alle abgelaufen werden mussten, ehe die Tagbahnen in Angriff genommen werden durften. Morgens um sieben starteten die 12-Stunden-Staffeln, gleichzeitig gab die Wettkampfleitung die Streichung einer langen, schweren sowie einer einfachen, kurzen Tagbahn bekannt, da die avisierte Bestzeit zu diesem Zeitpunkt bereits um etwa 90 Minuten überschritten war.
Bei warmem Frühsommerwetter wurde also über die gesamten 24 Stunden an Taktik-Feinheiten getüftelt, zwischen den eigenen Läufen maximale Erholung gesucht und, wenn möglich, entspannt in der Sonne liegend dem Wettkampfgeschehen gefolgt. Pünktlich zum großen Finale verdüsterte sich der Himmel und schuf mit einem Platzregen-Gewitter die Bühne auf der OLer zu Helden werden!

Traditionell schnell: Traditionell schnell!

Unser erstes Team „Traditionell schnell!“ mit Karsten Leideck, Wieland Kundisch, Thomas Wuttig, Sonnhild Knoblauch, Heiko Gossel und Conny Eckardt wollte nach dem 6. Platz vom letzten Jahr natürlich wieder vorne mitlaufen und gleichzeitig dem „Sommernachtstrauma“ vom Post SV Dresden (die sich mit Anne Kretzschmar und Henryk Dobslaw aus unseren Reihen verstärkt hatten) die Stirn bieten. Nachdem sich bereits nach 4 Stunden das Team der OLG Galgenen an die Spitze des Feldes gesetzt hatte und seine Führung bis zum Ende kontinuierlich ausbaute, entwickelte sich dahinter zwischen 4 Mannschaften ein bis zum Schluss spannender Kampf um die Podestplätze. Die von ihrem Team-Manager Leif Bader fürsorglich betreuten und perfekt eingestellten Postler hatten in diesem Jahr das bessere Ende für sich und machten gegen 18:30 Uhr nicht nur den zweiten Platz perfekt, sondern schafften mit Andrei Kraemers Zieleinlauf 7 Sekunden vor Wettkampfende sogar noch den 34. Wechsel. Grosse Freude aber auch im grünen TU-Lager: Im Kampf gegen die „Stadtrivalen“ wuchsen auch die Traditionellen über sich hinaus und waren noch schneller als im letzten Jahr – der 3. Platz war mehr als man sich vorher erträumt hatte. 33 Wechsel standen nach 23 Stunden 31 Minuten und 58 Sekunden auf der Anzeigetafel und sorgten für glückliche Gesichter.

Der Nachwuchs beweist unglaubliche Tauglichkeit

Erst kurz vor dem Wettkampftag wurde aus „USV TU Dresden III“ im Zuge der reimenden Namensgebung „Unglaublich tauglich!“, womit sich Kerstin Hellmann, Rene Hellmann, Norbert Zenker, Lutz Spranger, Anna Reinhardt und Frank Nitzsche die Trauben selber sehr hoch gehangen hatten. Gerade die Youngster waren schwer einzuschätzen – Frank war eine Woche vorher als Ersatz für den verletzten Diethardt Kundisch eingesprungen und Anna hatte 72 Stunden vor ihrem Einsatz den ersten Nacht-OL ihres Lebens absolviert. Das hinderte sie allerdings nicht daran, Laufzeiten abzuliefern, an denen sich zum Teil selbst die Mitglieder von „Traditionell schnell!“ die Zähne ausbissen. Conny Eckardt sprach hinterher anerkennend „von jeweils wenigen Sekunden, die sie vor Anna ins Ziel retten konnte“. Frank begeisterte seine Mannschaftskollegen nach 23 Stunden und 4 Minuten mit dem festen Vorsatz in den verbleibenden 56 Minuten und mitten im Gewitter noch eine lange, schwere Bahn absolvieren zu wollen. Obwohl es leider nicht gereicht hat, ist soviel Willen nach einem mehr als harten Wettkampf bemerkenswert. Im Kampf ums Podest ging für die meisten Zuschauer wohl unter, dass die unglaublich Tauglichen sich ebenfalls einen spannenden Zweikampf mit der zweiten Post-Staffel „Sächsische Schweizer“ (verstärkt durch Lisa Femmer aus den Reihen des USV TU Dresden) lieferten. In der Endabrechnung hatten die Postler mit einem Wechsel mehr auch hier die Nase vorn, aber mit Rang 22 (bei 44 gestarteten Teams) platzierte sich unsere dritte Mannschaft in der ersten Hälfte des Feldes. 28 Wechsel in 23 Stunden 3 Minuten und 59 Sekunden standen schlussendlich zu Buche.

Fünfe ziehen um die Heitere: Wie üblich, gemütlich!

Mit einem Namen der sämtliche Ambitionen schlau kaschierte, gingen Torsten Kaufmann, Elke Hacker, Andrej Olunczek, Achim Gerhardt, Jan Müller und Fanny Sembdner „Wie üblich, gemütlich!“ ins Rennen. Nach einer guten Stunde dann jedoch die Hiobs-Botschaft: Elke liegt mit einem allergischen Schock im Sani-Zelt und wird wenig später sicherheitshalber über Nacht ins Spital nach Bern gebracht (am Sonntagmittag stößt sie zur allgemeinen Erleichterung aber gesund und munter wieder zu uns). Also hieß es für die verbliebenen Fünf den Ausfall wegzustecken und trotz kürzerer Ruhepausen die 24 Stunden zu überstehen. Selbst Erkältung, Heuschnupfen, chronische Knieverletzungen und die parallele kulinarische Versorgung aller TU-Starter durch Achim hielten die Gemütlichen nicht davon ab, fünf komplette Umläufe (sprich: 25 Wechsel in 23:55:17 Stunden) zu absolvieren. Besonders in den letzten 5 Stunden wuchsen, sicher auch mitgerissen vom engen Kampf an der Spitze und der allgemein fiebrigen Spannung, alle noch einmal über sich hinaus, vergaßen alle Erschöpfung, Schmerzen und Krämpfe und feierten am Ende Fannys Zieleinlauf 4 Minuten vor Ultimo lautstark.

Fazit

Ein tolles Pfingsten liegt hinter uns: neben dem schönen Wetter und der guten Organisation (die manchmal kalten Duschen und die nicht immer zeitnah aktualisierten Ergebnisse kann man verschmerzen) wird wohl vor allem der spannende Kampf um die vorderen Platzierungen in Erinnerung bleiben, an dessen Ende zwei Dresdner Podestplätze standen, mit denen im Vorfeld wohl niemand gerechnet hatte. Der Wald war unheimlich krautig und dornig - aufgrund der vielen diffusen Dickichte war die Querlaufroute oft nur die zweite Wahl. Dank des „Pfandwand-Systems“ (der einkommende Läufer wählt aus allen noch verfügbaren Bahnen an der Pfandwand des Teams die vorher Besprochene aus und übergibt sie seinem Wechsel-Läufer, der diesen Pfandzettel dann im Kartenzelt gegen seine Laufkarte eintauscht) konnte man im Wechselraum stets die Taktik der Konkurrenz verfolgen, was den Wettkampfverlauf ein ganzes Stück transparenter werden ließ und trotz der diesbezüglichen Verständnisschwierigkeiten im Vorfeld als gute Idee der Schweizer bezeichnet werden muss. Am Ende war die Erschöpfung groß, die Freude es mal wieder geschafft zu haben noch größer, die Siegerehrung erfreulich knapp, der Schlaf tief und fest und die Fahrt zurück nach Dresden ziemlich lang. Und einige hatten schon wieder dieses seltsame Flackern in den Augen…

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